Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente
Eine Erwerbsminderungsrente soll für die
dauerhaft eingeschränkte Erwerbsfähigkeit einen Ausgleich schaffen. Die
Erwerbsminderungsrenten sind keine steuerfinanzierten Leistungen, sondern
sog. Versicherungsleistungen auf die nach der Entrichtung von
Pflichtbeiträgen ein gesetzlicher Anspruch besteht, soweit auch die
medizinischen Voraussetzungen vorliegen.
Aktuell bestehen in der gesetzlichen
Rentenversicherung verschiedene Renten bei Erwerbsminderung (Rente wegen
voller Erwerbsminderung, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und Rente für
Bergleute).
Die versicherungsrechtliche Voraussetzung
der Erwerbsminderungsrente ist, dass in den letzten 60 Monaten vor Eintritt
der Erwerbsminderung mindestens 36 Monate an Pflichtbeiträgen gezahlt
wurden.
Durch das EM-Reformgesetz sind zum 1.1.2001
die bisherigen Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit
weitgehend abgeschafft worden.
Lediglich für Versicherte mit Geburtsdatum
vor dem 2.1.1961 besteht aus Vertrauensschutzgründen noch die Möglichkeit
bei Berufsunfähigkeit eine Erwerbsminderungsrente zu erlangen. Dabei ist zu
prüfen, ob der bisherige Beruf weiterhin ausgeübt werden kann und ob
Berufsschutz besteht. Ob dies in Betracht kommt, ist vom Berufsabschluss und
dem zuletzt ausgeübten Beruf abhängig.
Der Unterschied zur teilweisen oder vollen
Erwerbsminderungsrente ist dagegen allein die Beurteilung des tatsächlich
noch vorhandenen Leistungsvermögens, also wie viele Stunden der Versicherte
wegen der Gesundheitsbeeinträchtigungen überhaupt noch arbeiten kann. Auf
den bisherigen Beruf kommt es dabei nicht unmittelbar an.
Neben den versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen müssen die medizinischen Voraussetzungen für die
Erwerbsminderungsrente vorliegen.
Wenn der Versicherte nur noch unter 3
Stunden täglich arbeiten kann, ist eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
zu gewähren. Bei einer Arbeitsfähigkeit zwischen 3 und 6 Stunden täglich ist
mindestens die Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Wenn
eine Arbeitsfähigkeit von über 6 Stunden täglich vorliegt, besteht
normalerweise kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes sind jedoch auch bei einem Restleistungsvermögen von
über 6 Stunden täglich zahlreiche Ausnahmen zugelassen wurden, die einen
Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente begründen.
Also selbst wenn nach der
sozialmedizinischen Begutachtung im Rentenverfahren eine Arbeitsfähigkeit
von über 6 Stunden besteht, kann über diese Ausnahmen eine volle
Erwerbsminderungsrente in Betracht kommen.
Eine Ausnahme ist die sog. Wegeunfähigkeit,
d.h. wenn der Versicherte nicht täglich viermal 500 m in jeweils 20 min
zurücklegen kann und nicht zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel in
Anspruch nehmen kann und auch kein Halter eines PKW ist.
Weitere Ausnahmen sind unübliche Pausen,
die über das arbeitsrechtlich zulässige Maß hinausgehen.
Auch die sog. Summierung einzelner
Leistungseinschränkungen bei fehlender Weisungstätigkeit führen trotz über
6-stündiger Arbeitsfähigkeit zur vollen Erwerbsminderungsrente (z.B.
Ausschluss von Kälte, Nässe und Staub; Gebrauchswertminderung eines Armes
oder der Hände; Seh-, Hör- oder Sprachstörungen; ansteckende Krankheiten;
Entstellungen; Fieberschübe; etc.)
Leider werden diese Ausnahmen im
Rentenverfahren oftmals nicht berücksichtigt und berechtigte Ansprüche der
Versicherten werden dann unberechtigt abgelehnt.
Wenn dagegen eine Arbeitsfähigkeit von 3-6
Stunden festgestellt wird, und der Versicherte innerhalb der letzten 12
Monate keine Teilzeittätigkeit ausgeübt hat, ist auch die volle
Erwerbsminderungsrente zu gewähren (sog. Arbeitsmarktrente).
Das Rentenverfahren beginnt mit einem
Antrag, den die Deutsche Rentenversicherung zur Verfügung stellt. Nach dem
Antrag erfolgt regelmäßig eine medizinische Begutachtung. Soweit dem Antrag
nicht entsprochen wird, erfolgt ein Ablehnungsbescheid gegen den innerhalb
eines Monats Widerspruch eingelegt werden muss, wenn der Versicherte damit
nicht einverstanden ist. Der Widerspruch muss nicht begründet werden. Nach 3
Monaten muss ein sog. Widerspruchsbescheid erlassen werden, wenn die Rente
weiterhin abgelehnt wird. Soweit nicht innerhalb von 3 Monaten ein
Widerspruchsbescheid erlassen wurde und keine Hinderungsgründe entgegen
stehen, kann der Versicherte eine sog. Untätigkeitsklage erheben, um den
Anspruch auf Erlass des Widerspruchsbescheides nach Ablauf der 3 Monate
durchzusetzen.
Sofern ein ablehnender Widerspruchsbescheid
erlassen wird, muss eine Klage zum Sozialgericht erhoben werden, um den
Rentenanspruch durchzusetzen.
Für das Widerspruchs- und Klageverfahren
entstehen keine Gerichtskosten. Selbst im Falle der Ablehnung der Klage sind
keine Verfahrenskosten vor dem Sozialgericht zu zahlen. Falls eine
Vertretung durch einen Anwalt erfolgt, übernimmt eine vorhandene
Rechtsschutzversicherung die Anwaltskosten. Wenn keine
Rechtsschutzversicherung besteht, kommt bei geringen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen Prozesskostenhilfe in Betracht.
Seit dem 01.07.2008 besteht zudem im
Einzelfall die Möglichkeit mit dem Anwalt ein Erfolgshonorar zu vereinbaren,
wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse den Versicherten sonst von der
Rechtsdurchsetzung abhalten würden. Dabei wird das Honorar des Anwalts vom
Ausgang des Verfahrens abhängig gemacht. Im Falle des negativen Ausganges
sind erheblich geringere Anwaltskosten zu zahlen. Im Fall des positiven
Ausgangs des Verfahrens fallen dagegen höhere Gebühren an, die bei
Rentenverfahren dann regelmäßig aus der dann fällig werdenden
Rentennachzahlung zu zahlen sind. Sinn und Zweck des Erfolgshonorars ist es,
dass der Zugang zum Recht nicht durch die anfallenden Anwaltskosten
eingeschränkt wird.
Andreas Marr
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht